30.4.2024 In: Strafrecht

„EncroChat-Entscheidung“: EuGH verwirft Begründung zur Verwertbarkeit von EncroChat-Daten des Bundesgerichtshofs

In der am 30. April 2024 in der Rechtssache C-670/22 verkündeten Entscheidung hat sich der EuGH ausführlich mit den Vorlagefragen des Landgerichts Berlin auseinandergesetzt. Das europäsiche Gericht hat darin festgestellt, dass die bisherige rechtliche Argumentation des Bundesgerichts zur Annahme der Verwertbarkeit der Daten in in EncoChat-Fällen rechtswidrig ist. So stellt der EuGH klar, dass die Bestimmungen zur Europäischen Ermittlungsanordnung und des Telekommunikationsverkehrs grundsätzlich individualstützenden Charakter haben, so dass sich der Betroffene auf eine Verletzung der Norm berufen kann. Ferner hebt der Gerichtshof hervor, dass die nationalen Gerichte bei verfahrensrelevanten Beweismitteln die Sachverhalte so aufklären müssen, dass sich der Betroffene überhaupt effektiv verteidigen kann. Das zwingt Verteidiger zukünftig, Zweifel an der Herkunft von EncroChat-Daten und der Vollständigkeit erneut intensiv in den nationalen Strafverhandlungen darzulegen und geltend zu machen. Letztlich wird der bisherigen Spruchpraxis, die eine mehr oder weniger ungeprüfte Anerkennungspflicht der deutschen Gericht konstituieren wollte, eine klare Absage erteilt. Eine Verwertbarkeit setzt - so das europäische Gericht - die Einhaltung der nationalen Vorschriften zum Beweismitteltransfer voraus. Dies bedeutet, dass die Maßnahme sich nun doch aus der grundsäztlichen Perspektive der Verwertbarkeit nach deutschem Prozessrecht zu messen hat.

Dies hat zur Folge, dass zahlreiche rechtliche Fragen erneut zu diskutieren sein werden. Aus Sicht der Verteidigung bestätigen sich die bisher erhobenen Zweifel an der Verwertbarkeit der EncroChat-Daten. Gleichwohl steht zu befürchten, dass die Spruchentscheidung zu keiner entscheidenden Rechtsprechungsänderung für „normale“ EncroChat-Fälle, in denen die französischen Behörden bereits im präventiv-polizeilichen Zusammenhang Daten zwischen März und Juli 2020 an die deutschen Behörden für deutsche Endgeräte Daten geliefert haben, führen wird. Soweit der Bundesgerichtshof ergebnisorientiert unter Anpassung der Begründung an seiner Spruchpraxis festhalten wird, provoziert er dadurch erneut die Anrufung von Verfassungsgerichten und Europäischen Gerichten.

 

30.04.2024 [geändert 16.06.2024]

RA Johannes Eisenberg

RA Kai Kempgens